03 Woche der Fastenzeit Freitag
EVANGELIUM | Mk 12, 28b-34 |
In jener Zeit
28bging ein Schriftgelehrter zu Jesus hin und fragte ihn: Welches Gebot ist das Erste von allen?
29Jesus antwortete: Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr.
30Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.
31Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.
32Da sagte der Schriftgelehrte zu ihm: Sehr gut, Meister! Ganz richtig hast du gesagt: Er allein ist der Herr, und es gibt keinen anderen außer ihm,
33und ihn mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer.
34Jesus sah, dass er mit Verständnis geantwortet hatte, und sagte zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und keiner wagte mehr, Jesus eine Frage zu stellen.
Tagesimpuls:
Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. (Mk 12,30)
Das erste Gebot wird in unserer Gesellschaft nicht mehr wahrgenommen. Es geht nur noch um den Menschen, was ihn glücklich macht, was zu Glück, Frieden und Wohlergehen des Menschen beiträgt. Wenn man z.B. den Sinn der Kirchensteuer erklären will, muss man auf karitative Tätigkeiten der Kirche verweisen. Man muss aufzeigen, wie Menschen konkret geholfen wird durch die Kirche. Man muss zeigen, dass der Glaube und die Nachfolge Jesu zum Frieden unter den Menschen beitragen können. Selbst die Gottesdienste werden nur noch unter der Bedingung gerechtfertigt, dass sie den Teilnehmern inneren Frieden schenken, so ähnlich wie eine psychologische Behandlung.
Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.
Nur wenige verstehen, dass man Gott um seiner selbst willen lieben soll. Wir lieben Gott, einfach weil es ihn gibt, weil er unserer Liebe und Verehrung würdig ist, und nicht nur, weil er uns Menschen gute Gaben gibt. Es ist nicht anders als bei der Liebe zweier Menschen. Wenn ich einen Menschen liebe, dann ist das für mich eine große Bereicherung. Wenn ich es aber nur auf das abgesehen habe, was der andere mir gibt, dann zerrinnt es mir zwischen den Fingern, so wie wenn ich das Wasser einer Quelle in den Händen mitnehmen wollte. Erst wenn ich den anderen um seiner selbst willen liebe, wenn ich sein Glück anstrebe und nicht meine Befriedigung, erst dann kann ich reich beschenkt werden, quasi als Nebeneffekt. Und genauso ist es bei Gott. Wenn ich ihn um seiner selbst willen liebe, dann werde ich reich beschenkt. Wenn ich den Glauben reduziere auf die Nächstenliebe, auf die Mitmenschlichkeit, dann verliere ich beides, den Glauben und die Mitmenschlichkeit.
Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.
Das erste Gebot ist deswegen das erste, weil es an erster Stelle kommen muss. Alles, was man nicht als erstes macht, steht in der Gefahr, dass es im Laufe des Tages untergeht. So ging es mir gestern Nachmittag noch. Ich wollte als erstes Beten, aber dann habe ich mich doch entschieden, etwas anderes (natürlich drängte es sich mir in diesem Moment als sehr wichtig auf!) zu machen, und aus dem Gebet wäre fast nichts mehr geworden, es war nicht so, wie es hätte sein sollen und können. Wir müssen das Gebet, die Gottesliebe, die Intimität an die erste Stelle setzen, sonst verlieren wir uns in den vielen „wichtigen“ Dingen, die uns aber nur von Jesus und von unserer eigenen inneren Mitte – und noch schlimmer: von unserer Berufung! – wegbringen wollen.
Gebet:
Jesus, du verkündest, dass das erste Gebot das Wichtigste ist. Ich will dich an die erste Stelle setzen, auch ganz konkret in zeitlicher Hinsicht. Du sollst der erste sein an meinem Tag, dir will ich nichts vorziehen. Bitte lass mich noch besser erkennen, welche Gedanken mich ablenken wollen, was sich „dreist in mein Tun hineindrängt“, wie es ein alter Hymnus formuliert.
Pastor Roland Bohnen
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